Masturbation ist gesund! Nah und?

Dr. Meriam Axtmann • Okt. 29, 2022

Keiner masturbiert, weil Solo-Sex gesund ist.


Im Netz wird gepredigt wie gesund und wichtig Masturbation ist. Selbstfürsorge und Selbstpflege soll sie sogar sein! Normal in einer sexpositiven Gesellschaft, die Sex in all seinen Formen für gut hält und kein Sex für nicht ok hält.

Und keiner, der aus dogmatischen Gründen - ob religiöser oder kultureller Natur- vehement von der Masturbation abrät oder sie gar zu Sünde macht, würde aus dieser Erkenntnis heraus seine Meinung über Masturbation ändern. Die Erdkugel ist keine Scheibe und Masturbation macht weder Jungs noch Mädchen blind.


Gegenseitige Masturbation mit einem Gegenüber hingegen ist eine erotische Erfahrung mit anderer Bedeutung und anderem Potenzial, auf die ich einem anderen Artikel eingehe. Hier gehe ich aber nur auf die Onanie ein.


Ich persönlich sehe die spontane Masturbation als Selbsterfahrung und als ein Türchen in die Welt der Sexualität und der sexuellen Identität.

Die soziale Akzeptanz der Masturbation erhöhen zu wollen ist ein Trend in den sozialen Netzwerken, der die Erwachsenen womöglich unter Druck setzen kann. Es scheint mir etwas missionarisch zu sein, nach dem Motto: "Was gut für mich ist, soll für dich auch gut sein".


Masturbation kann als Empowerment und sexuelle Selbstbestimmung aufgefasst werden, sowas wie selber den Joystick in die Hand zu nehmen, Kontrolle selbst zu übernehmen und die Gangschaltung bestens zu beherrschen. Denn es gibt nichts effizienter als ein Kickdown, kurz vom Still Stand auf die höchste Drehzahl zu kommen. Ein anderer müsste erstmal mit dem Getriebe Erfahrung sammeln und lernen wo die „Triggerpunkte“, die richtigen Knöpfe sind. Das braucht Zeit, die nicht ohne Frustration vergeht.


Interessanterweise die Masturbation spielt für Männer und Frauen unterschiedliche Rollen. Die Studien, die bislang handfeste Ergebnisse dazu geliefert haben, haben zwischen Mann und Frau unterschieden. Sie fanden heraus, dass Masturbation für Frauen meistens Selbstbefriedigung bedeutet, für Männer hingegen Ersatzbefriedigung. Diese Ergebnisse sind natürlich kritisch zu hinterfragen, weil sie die Triebtheorie bestätigen. Andererseits inspirierend sind diese Forschungsergebnisse, wenn es um die Interpretation geht, dass Männer den identitären Teil ihrer Sexualität noch nicht entdeckt haben sollen bzw. dass Männer sich mit ihren Trieben identifizieren und sich nicht darüber erhöht haben sollen, außer dass sie gerne die Kontrolle beibehalten wollen.

Interessant ist auch, dass Onanie universell betrachtet werden kann, unabhängig von der zugeschriebenen Geschlechtszugehörigkeit (weiblich/männlich/transgender) und von der Geschlechtsidentität (LGBTQ+). Universell menschlich bedeutet schon lange nicht triebgesteuert. Denn Masturbation kann jedem ein Gefühl der Lebendigkeit bescheren egal wie er/sie sich zuordnet oder zugeordnet wird.

"Solo-Sex" soll den Spaß betonen und dessen Gleichwertigkeit mit dem Sex zu zweit stellen. Schwachsinn! Nicht Gleichwertig aber sicherlich nicht minderwertiger!

Anscheinend sinkt das Einstiegsalter, vor allem bei Frauen. Das sagen manche Studien. Das will ich im Raum stehen lassen, denn ab wann redet man von Masturbation überhaupt: nur anfassen oder Selbststimulation bis zum Orgasmus?!


Solo-Sex kann Stress abbauen ja, muss aber nicht sein. Es kann den masturbierenden auch unter Druck setzen. Es wird ihm/ihr überall vorgetragen wie wichtig, wie toll, wie gesund Masturbation ist und dass er/sie selber den Orgasmus erreichen kann. Kann muss aber nicht sein.

Ich plädiere für die Masturbation und die Nicht-Masturbation als ein Ausdruck der eigenen Sexualität Körper und der eigenen Körperlichkeit. Vielleicht auch aus Lust, aus Langeweile, aus Frustration, um Stress abzubauen oder um einen Groll zu entkommen… Damit streite ich aber nicht ab, dass Masturbation die sexuelle Selbstbestimmung und Integrität stärken kann.

Masturbation als Selbstbefriedigung oder Ersatzbefriedigung, vielleicht auch ein Vor-Foreplay. Letzteres passt zu einem Perfektionismus getrieben Gesellschaft, nach dem Motto: „Damit heute Abend einen geilen Sex zu haben, geile ich mich jetzt schon mit einer Session-Masturbation auf.“

Auf dem Klo bei der Arbeit, im Bett, auf dem Sofa beim Netflixen oder sonst wo. Der Rahmen der Masturbation, der Kontext kann viel mehr Bedeutung haben als die Stimulation der Genitalien an sich. Das ist aus der sexualtherapeutischen Sicht sehr interessant und dies zu erkunden könnte für den Klienten ergiebig sein.


Klienten, die gar nicht masturbieren, haben in der Regel ein anderes Bewusstsein für ihre eigene Körperlichkeit und Lust oder haben per se eine eher Partnervalidierte Sexualität.

Manche masturbieren dauerhaft und sind vom „Sex“ besessen. Sie leiden dann unter Sexsucht wie die WHO das definiert. Der übermäßige Konsum der pornographischen Güter ist meistens eine Begleiterscheinung.

Manche Singles, die nicht masturbieren, fragen sich ob mit ihnen was nicht stimmt oder ob sie asexuell sind.

Also zwischen Masturbieren und nicht Masturbieren ist ein breites Spektrum.

Gewiss kann eine Masturbation was Gutes in sich haben. Aber! Auch keine Masturbation kann genauso gut sein. Es geht darum sich mit sich stimmig zu fühlen, genau das fühlt sich nämlich am besten an.

Keiner soll masturbieren und keiner soll damit aufhören.  

Ich möchte nur eins betonen: Masturbation kann in der Sexualtherapie ein Indikator sein, muss aber nicht. Die isolierte Bewertung der Masturbation an sich, ist aus der Sicht der Sexualtherapie nicht zwangsläufig zielführend, außer der Klient drückt damit was Persönliches aus oder misst dem was besonders bei. Überhaupt geht es in der Sexualtherapie nicht um die Bewertung, sondern um die Auswertung. Die höchst persönliche Bedeutung für denjenigen unter seinen beschriebenen Gegebenheiten.

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