Wenn Liebe wehtut

Dr. Meriam Axtmann • Nov. 06, 2022

Warum es „toxisch“ ist, Beziehungen als „toxisch“ zu bezeichnen?


Hurt people hurt people!


Zu Beginn möchte ich klarstellen: In diesem Artikel geht es nicht um Beziehungen mit strafrechtlichen Konsequenzen wie Lebensgefährdung, Missbrauch oder Gewalt. In solchen Fällen, meistens akut, ist es notwendig, sich klar abzugrenzen und sich eine sofortige Hilfe zu holen.



Für alle anderen viel Spaß beim Lesen!

Nicht selten erzählen Paare „es war am Anfang alles schön! Doch irgendwann hat er/sie sich komplett verändert“. Nicht selten geben sich Menschen am Anfang einer Beziehung für jemanden anderen, den sie eigentlich gerne sein möchten, aber nicht wirklich sind. Nicht selten sehen Menschen ihren Partner am Anfang mit einer Rosabrille: Sie sehen den Partner, den sie haben möchten und nicht denjenigen mit dem sie wirklich sind.


„Wer bist du, wenn du nicht das bist, wofür, ich dich halte? Toxisch vielleicht?“ Und dann geht es mit der Abwertungsspirale los. Ein Partner pathologisiert den anderen: „psychisch krank, Borderliner, Narzisst, Psychopath, toxisch, etc. …“. Und dann sind die Freunde da und die etlichen Internet-Beiträge über „Toxische Beziehungen“ und „Narzisstische Partner“ etc. … Alle können auf einmal klinische Diagnosen stellen. Meistens eine kontraproduktive Laiendiagnose. Wenn Sie Ihrem Partner oder Ihrer Beziehung eine solche Diagnose verpassen, dann müssen Sie die „unguten“ Gefühle nicht mehr aushalten, dann müssen Sie sich keine Mühe geben, die dysfunktionalen Muster Ihrer Beziehung umzukrempeln.


Die Möglichkeit auf Änderung der Beziehungsdynamik wird weggenommen. Es bleibt keinen Platz mehr für Vertrauen und Wiedergutmachung. Beziehungen als toxisch zu labeln ist an sich toxisch. Wenn Sie andere Menschen oder Ihre Beziehung als toxisch bezeichnen, dann halten Sie auch den Zustand der Toxizität aufrecht.

Wenn eine Beziehung aus der Balance von Geben und Nehmen gerät und sie nur noch ein Kraftakt ist, ist sie dann toxisch, dysfunktional oder einfach nur gescheitert?

Das Label „Toxische Beziehung“ wird dann zur Selbstlegitimierung und zu einem Freischein zum Ausstieg aus der Beziehung. Wenn die Beziehung toxisch ist und mein Partner ein Narzisst ist, dann darf ich aussteigen, nein, dann muss ich sogar aussteigen!


Toxizität ist eine Stoffeigenschaft! Kein Merkmal einer Beziehung oder gar eines Menschen!


Die Bosheit gehört nun mal zum menschlichen Dasein, mal mehr mal weniger und in den verschiedenen Formen. Nicht wenige sind Menschen, die in sadistischen Handlungen Erregung verspüren. Vorwürfe und Gemeinheiten gehören eben auch zu Beziehungen. Dem Partner zu unterstellen, er würde alles kaltblütig mit Vorsatz und Kalkül gegen den anderen richten, ist eine Zuschreibung der Opferrolle für sich selbst. In einer Täter-Opfer-Beziehung sind die Rollen festzugeschrieben. Dabei spielen wir eine große Rolle, wie sich unsere Beziehungen anfühlen. Wir sind keine Opfer der Umstände. Wir erschaffen unsere Erfahrung gemeinsam mit dem Anderen. Wenn sich Ihre Beziehung also nicht gut anfühlt, dann tragen Sie in Wahrheit auch zu dem Problem bei. Das größte Problem mit einer schuldzentrierten Mentalität ist, dass sie Sie machtlos macht. Es lässt Sie glauben, dass Ihre Probleme das Ergebnis von etwas außerhalb von Ihnen sind.

Es braucht manchmal einen strengen Realitätscheck. Die Verantwortung dafür zu übernehmen, warum sich Ihre Beziehung nicht gut anfühlt, ist der einzige Weg, sie ändern zu können.  

Das bedeutet nicht, dass Sie niemals verletzt, wütend oder andere negative Gefühle gegenüber Ihrem Partner empfinden werden. Es bedeutet, dass Sie nicht dort stecken bleiben. Wenn Sie sich verärgert fühlen, können Sie Ihre Gefühle erforschen und Schritte unternehmen, um Ihre eigene Erfahrung zu ändern. So einfach kann es sein.


Wir alle haben unsere Stärken und Schwächen. Manchmal, wenn eine Person verletzt ist, verletzt sie andere Menschen auch, aber nicht absichtlich. Das Konzept, Menschen und Beziehungen als "toxisch" zu bezeichnen, ist zwar ein Selbstschutzmechanismus durch Rationalisierung, aber auch gemein und „ungesund“.

Etwas, an das Sie sich erinnern können, wenn Sie mit anderen Menschen zu kämpfen haben -und wir alle haben diese Tage- ist Folgendes: Niemand ist tatsächlich toxisch.


Dies ist eine Erklärung und keine Entschuldigung: Hurt people hurt people.


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